Die Free Software Foundation Europe fordert eine Freigabe von Quellcode nach Ablauf des Supports. In einer jüngst erschienenen Studie stellt die Organisation dar, warum Open-Source-Software nachhaltig ist – und geplante Obsoleszenz schadet.
Nachhaltigkeit hieß vor 300 Jahren: Nur so viel Holz schlagen, wie nachwachsen kann. Nun ist Holz nicht die einzige Ressource, die wir nutzen. Eine breitere Definition formulierte die UN im Jahr 1987 im Brundtland-Report mit dem Titel „Unsere gemeinsame Zukunft“:
Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.
Die Free Software Foundation Europe (FSFE) überträgt dieses Prinzip nun auf Software. In einer aktuellen Studie zeigt die Organisation dabei, wie und warum Freie Software nachhaltig ist. Die FSFE formuliert darüber hinaus konkrete Forderungen an die Politik, auch im Bereich von Software künftig Nachhaltigkeit zu fördern. Nachhaltig – solange sie frei ist
Wie aber kann Software überhaupt nachhaltig sein? Software ist – anders als begrenzte Ressourcen wie fossile Brennstoffe – zunächst einmal unbegrenzt verfügbar. Sie kann weder verbraucht werden noch anderweitig durch intensive Nutzung verschwinden.
Allerdings geht es bei der oben genannten UN-Definition speziell um die Gerechtigkeit zwischen Generationen. Und hier unterscheiden sich verschiedene Softwaretypen erheblich. Wirklich nachhaltig ist dabei laut der FSFE nur Freie Software.
Diese räumt allen die folgenden vier Freiheiten ein: Sie zu nutzen, zu studieren, zu verbessern und weiterzugeben. Softwarelizenzen bedingen, wie ein Programm verwendet werden darf. Freie Lizenzen müssen mindestens die genannten vier Freiheiten gewähren. Digitale Souveränität
Ein Gedanke aus der FSFE-Studie ist folgender: Software ist fundamental, damit unsere Gesellschaft funktioniert. Sie hält Krankenhäuser am Laufen und organisiert den öffentlichen Nahverkehr und sollte daher so nachhaltig wie möglich genutzt werden. Um von nachhaltigen Ökosystemen rund um Freie-Software-Konzepte zu profitieren, ist es eine entscheidende Voraussetzung, dass der Softwarecode, der unsere alltägliche und kritische Infrastruktur betreibt, unter einer freien Software-Lizenz veröffentlicht wird.
Um von nachhaltigen Ökosystemen rund um Freie-Software-Konzepte zu profitieren, ist es eine entscheidende Voraussetzung, dass der Softwarecode, der unsere alltägliche und kritische Infrastruktur betreibt, unter einer freien Software-Lizenz veröffentlicht wird.
Insbesondere wenn die Allgemeinheit durch Steuergelder ein bestimmtes Gut mitfinanziert habe, sollte es auch unter freier Lizenz nutzbar sein. Die FSFE nimmt dabei Bezug auf ihre Kampagne „Public Money? Public Code!“ („Öffentliche Gelder? Öffentlicher Code“). Damit lasse sich auch die sogenannte digitale Souveränität stärken und die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern verringern. Andere können sie so verwenden, ohne zunächst eigene Ressourcen in die Entwicklung eines ähnlichen Systems stecken zu müssen. Proprietäre Software verkürzt die Produktlebenszeit
Proprietäre Software dagegen verknappe die Ressource Software künstlich, stellt die FSFE fest. Unter anderem fördert oder bedingt der Supportzeitraum die geplante Obsoleszenz. Hinter diesem Ausdruck steckt der gewollte Verschleiß von Gütern oder Ressourcen.
Das bekannteste Beispiel hierfür dürften Glühbirnen sein. Es heißt, sie hätten deutlich länger halten können, seien jedoch so konstruiert gewesen, dass sie nur eine bestimmte Zeit funktionieren – wodurch Hersteller immer wieder neue Birnen verkaufen konnten.
Ähnliches passiere auch bei proprietärer Software: Nach Ablauf des Supports für Smartphones, Waschmaschinen und Co. stünden Nutzer vor der Wahl, nicht mehr unterstützte (und damit potenziell unsichere) Software und damit Geräte zu nutzen – oder deren Nachfolger zu erwerben. Aktuell wird dies bei der Diskussion um verlängerte Sicherheitsupdates deutlich.
Hier fordert die FSFE: Nach Ende des Gerätesupports soll der Quellcode jeder Software öffentlich und für jeden zugänglich gemacht werden. Damit könnte auch die Lebensdauer von Geräten verlängert werden, auf denen die Software läuft. Weil mit dem Quellcode andere die Weiterentwicklung übernehmen könnten, wenn der ursprüngliche Hersteller es nicht mehr tut.
Damit überträgt sich die Software-Nachhaltigkeit in die analoge Welt und es werden auch endliche Ressourcen verantwortungsvoller genutzt. Denn die Rohstoffe aus denen unsere Hardware besteht, lassen sich anders als Quellcode, zum Großteil nicht endlos reproduzieren.
Ihr kennt es: Zum Jahresende stehen wir traditionell vor einer sehr großen Finanzierungslücke und auch wenn die Planung und Umsetzung unseres Spendenendspurts viel Spaß macht, bindet es doch sehr viele Ressourcen; Ressourcen, die an anderer Stelle für unsere wichtige Arbeit fehlen. Um Euch also weniger mit Spendenaufrufen auf die Nerven zu gehen und mehr Recherchen und Hintergründe bieten zu können, brauchen wir Eure regelmäßige Unterstützung.
Das Jahr hat 8.760 Stunden. Das sind 8.760 Stunden freier Zugang zu kritischer Berichterstattung und wichtigen Fragestellungen rund um Internet, Gesellschaft und Politik bei netzpolitik.org.
Werde Teil unserer Unterstützungs-Community und finanziere jährlich eine von 8.760 Stunden netzpolitik.org oder eben fünf Minuten im Monat.
Über den Autor/ die Autorin
Vor einem Jahrzehnt versprach die EU-Kommission einen universellen Standard für Ladeanschlüsse von Handys. Doch bislang zögert sie, einen solchen auch vorzuschreiben. Dabei nennt eine neue Studie im Auftrag der EU-Behörde klare Vorteile.
Verbraucher:innen erhalten ab nächstem Jahr beim Kauf von Geräten mit digitalen Komponenten etwas mehr Rechte. Die noch unzureichende Update-Pflicht kann zu mehr IT-Sicherheit führen, sollte aber nur ein erster Schritt sein. Leider hat der Gesetzgeber es verpasst, weitere Regelungen auf den Weg zu bringen, die zu mehr IT-Sicherheit und Nachhaltigkeit führen können.
Was der Einsatz von gebrauchten Geräten, freier Software sowie Solarstrom und Bienenstöcken mit der Vermittlung von Werten zu tun hat, hat uns Felix Schoppe vom Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze bei Hannover erklärt.
Nette Forderung, bin dafür. Wird aber leider nicht passieren.
Ein wichtiger Impuls, ohne Frage! Gerade, wenn öffentliche Gelder in das Allgemeingut freie Software investiert werden, profitieren sicher Alle davon. Man darf aber gerade bei der Weiternutzung von digitalen Endgeräten nicht vergessen, dass diese Art von Softwareentwicklung zu einem großen Maß abhängig ist von dem persönlichen, ehrenamtlichen Einsatz Einzelner. Wir müssen herausfinden, was diese Menschen antreibt, und ihre Leistung angemessen würdigen, damit uns diese Ressource nachhaltig erhalten bleibt.
Es stimmt, dass der persönliche Einsatz Einzelner wichtig ist. Ein Großteil der tragenden Freie Software-Produkte wird allerdings seit Jahren von Profis im Hauptberuf entwickelt. Als Beispiel siehe Beitragende bei dem bekannten Betriebssystemkern Linux, zweite Tabelle in https://lwn.net/Articles/867540/ .
Leider sind das oft große Unternehmen, welche die Interessen ihrer Kunden meist zuerst bedienen und da ist viel Server und Embedded Nutzung dabei. Ein guter Weg wäre, auch Finanzierung und damit professionelle Entwicklungsmacht im Interesse von Einzel- und Privatnutzenden zu schaffen.
Zumindest ein paar Möglichkeiten gibt es schon: freiwilliges Bezahlen für Freie Software-Produkte. Die Möglichkeiten wachsen dafür, zB. Patreon, Opencollective oder github Sponsoring. Beispiel Psycopg3 https://github.com/sponsors/dvarrazzo/
(Transparenzhinweis: Bin bei der FSFE. Mein Unternehmen bezahlt freiwillig für viele Freie Software Produkte, auch bei Psycopg.)
Die Forderung der FSFE als solche ist gut und absolut berechtigt. Leider hängt aber die Pflege etlicher (freier) Softwareprojekte oftmals vom Einsatz weniger Personen ab. Ich denke dabei z.B. an des Schicksal von uMatrix. Schließlich ist nicht jeder oder jede in der Lage, die SW zu studieren oder zu verbessern (das Nutzen und Weitergeben könnte klappen). Selbst wer mal beruflich programmiert hat, das aber nicht zum Hobby betreibt und nach 20 oder mehr Jahren mit anderen Tätigkeiten vor einem Quellcode säße, hätte wohl ein unüberwindliches Problem zu lösen.
Ein Beispiel? Hier liegt auf dem Schreibtisch ein olles Smartphone mit neuem Akku (ja, wechselbar), dessen entgoogeltes Betriebssystem (Lineage) leider auch nicht mehr gepflegt wird. So darf es in freier Wildbahn nur über Bluetooth die Corona-Warnapp (aus F-Droid) betreiben und werkelt hinter der heimatlichen Firewall als „Versuchsträger“ – ohne SIM-Karte. Ich kann mir nämlich nicht mal so nebenbei ein neues Betriebssystem zusammenbauen.
Bei Firmen sieht das anders aus. Meine eigene Forderung lautet als Minimalziel, dass Firmen verpflichtet werden, alle Gerätschaften mit potentieller Internetverbindung für mindestens 15 Jahre mit Sicherheitsupdates zu versorgen, bei fest verbauten (embedded) Komponenten auch darüber hinaus. Dabei ist mir schon klar, dass es geplante Obsoleszenz auch bei Hardwarekomponenten gibt. Das sollte auch verboten sein, ist aber leider schwer nachweisbar. Zumindest führt das nicht notwendigerweise zu Sicherheitsproblemen.
Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Meinen Namen, meine E-Mail-Adresse und meine Website in diesem Browser speichern, bis ich wieder kommentiere.
Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.
Mit freundlicher Unterstützung von