Klimawandel: Weniger Schnee und mehr Grün in den Alpen - Spektrum der Wissenschaft

2022-06-03 17:32:58 By : Ms. Jenny Ni

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Der Klimawandel macht die Alpen grüner – eine Veränderung, die sogar aus dem Weltraum zu sehen ist. Das berichten Forscherinnen und Forscher um Sabine Rumpf von der Universität Basel. Sie haben nachgewiesen, dass in den zurückliegenden vier Jahrzehnten die Schneedecke in den Alpen geschrumpft ist und dort stattdessen mehr Pflanzen wachsen. Das habe weit reichende Folgen für Mensch und Natur, schreibt die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »Science«.

Rumpf und ihr Team werteten Daten der »Landsat«-Satelliten aus, die seit 50 Jahren die Erde beobachten. Die Satelliten dienen zur Fernerkundung und bilden die Erdoberfläche regelmäßig bei verschiedenen Wellenlängen ab. Anhand der Aufnahmen, die dabei entstehen, lassen sich Veränderungen in der Schneebedeckung und der Vegetation erkennen. Fotosynthetisch aktive Pflanzen reflektieren im nahen Infrarot etwa sechsmal so stark wie im sichtbaren roten Licht. Verrechnet man die entsprechenden Reflexionswerte, ergibt sich ein Maß für die Pflanzenmasse auf dem jeweiligen Areal – Vegetationsindex genannt. Ob Schnee vorhanden ist oder nicht, geht aus den Messwerten im kurzwelligen Infrarot und im sichtbaren grünen Licht hervor.

Die »Landsat«-Bilder der Alpenregion zeigen: Auf 77 Prozent jener Gebiete, die oberhalb der Baumgrenze liegen, ist die Vegetation in den vergangenen 40 Jahren dichter geworden. Zugleich schwand auf 10 Prozent der dortigen Flächen die Schneedecke. »Die Alpen wandeln sich von weiß nach grün«, bringen es die Wissenschaftler auf den Punkt. Bereits bei früheren Untersuchungen anderer Teams war aufgefallen, dass die Schneeschichten in den Alpen immer dünner werden: Die Messwerte von 800 Wetterstationen belegen einen durchschnittlichen Rückgang von 8,4 Prozent pro Jahrzehnt. © Sabine Rumpf, Université de Lausanne/Universität Basel (Ausschnitt) Höhenbewohner | Steigende Durchschnittstemperaturen, längere Vegetationsperioden, schrumpfende Schneedecken und veränderte Niederschlagsmuster führen dazu, dass sich die Gebirgsvegetation nach oben ausbreitet. Das Bild zeigt einen Moos-Steinbrech (Saxifraga bryoides) am Schweizer Pischahorn.

Ähnliche Entwicklungen lassen sich überall auf der Welt beobachten. Der Blattflächenindex, das Verhältnis von Blatt- zu Bodenoberfläche, hat in den zurückliegenden Jahrzehnten global zugenommen. Der Grund: Die Menschheit verfeuert massenweise fossile Brennstoffe und setzt jährlich etwa 36 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) frei, was den atmosphärischen Gehalt nach oben treibt und zur Erwärmung bodennaher Luftschichten führt. Pflanzen nehmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und verarbeiten es fotosynthetisch zu Biomasse. Mit erhöhtem Angebot des Stoffs entsteht mehr Biomasse und fällt das Pflanzenwachstum kräftiger aus. Zudem verlängert sich mit steigenden Durchschnittstemperaturen vielerorts die Vegetationsperiode.

Allerdings funktioniert die Kohlendioxid-Düngung mit der Zeit immer schlechter: Seit den 1980er Jahren hat sie um etwa 40 Prozent nachgelassen. Denn Pflanzen brauchen zum Wachsen nicht nur Kohlendioxid, sondern auch Wasser und Nährstoffe wie Stickstoff- und Phosphorverbindungen. In vielen Regionen unseres Planeten herrscht Nährstoff- oder Wassermangel oder beides zugleich; allein zwei Fünftel der weltweiten Landfläche entfallen auf Trockengebiete. Trotz zunehmenden CO2-Gehalts in der Luft gedeiht die Vegetation dort irgendwann nicht mehr kräftiger, weil ihr dafür die anderen nötigen Substanzen fehlen.

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In den Alpen wird das Ergrünen merkliche Konsequenzen haben, schreiben Rumpf und ihr Team. Mehr Vegetation und weniger Schnee führen zu einem verminderten Rückstrahlvermögen (»Albedo«) der Erdoberfläche, die sich dadurch im Sonnenlicht stärker aufheizt. Das lässt die Temperaturen weiter steigen, worauf Permafrostböden und Gletscher verstärkt tauen und es zu mehr Lawinen und Hangrutschen kommt. Zunehmende Schnee- und Eisschmelze in den Höhen gefährdet zudem die Süßwasserversorgung der ansässigen Bevölkerung, denn Gletscher und Schneefelder speichern Wasser, das die Talbewohner in niederschlagsarmen Zeiten brauchen.

Überdies geraten die Gebirgsökosysteme unter Druck. »Alpenpflanzen sind an raue Bedingungen angepasst, aber nicht sehr konkurrenzfähig«, sagt Rumpf. Ändern sich die Umweltbedingungen, so die Forscherin, dann verlieren diese spezialisierten Arten ihren Nischenvorteil und werden von anderen Gewächsen verdrängt. »Die einzigartige Artenvielfalt der Alpen steht unter erheblichem Druck.«

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