Sie wachsen direkt vor der Haustür und überraschen mit Geschmack und Wirkung: Kräuter lassen sich von Spaziergängen mitnehmen und bringen Schwung auf den Teller.
"Kräuter sind die Apotheke des Klosters", sagt Pater Johannes Pausch. Der Benediktinermönch aus dem Europakloster Gut Aich am Wolfgangsee ist ein passionierter Pflanzenfreund - und ein Kenner. Über die Eigenschaften dessen, was im Garten, auf den Feldern, Wiesen und im Wald sprießt, weiß er Bescheid. Auswendig, selbstverständlich. Sein Wissen teilt er gerne. Immer wieder finden Kräuterwanderungen in und rund um St. Gilgen statt.
Pater Johannes hat ein scharfes Auge und ein feines Gespür, wenn er selbst in der Natur unterwegs ist. Gerne spricht er über jene Pflanzen, die immer wieder übersehen oder sogar verachtet werden. "Die haben oft ganz hervorragende Kräfte", sagt er. Als Erstes fällt dem Priester das Judasohr ein. Ein Extrakt aus diesem Pilz könne Tinnitus bekämpfen, berichtet er. Oder die Stechpalme. Eigentlich sei sie eine Giftpflanze. Wer allerdings mit ihr umzugehen weiß, kann ein wirkungsvolles Antidepressivum gewinnen.
Schauplatzwechsel in die Küche. Dort steht der Geistliche, seit er ein kleiner Bub war. Als Sohn eines Wirtes hat er sich die Leidenschaft für das Kochen behalten. Kräuter spielten bei jedem Rezept eine wesentliche Rolle, erklärt er. Etwas traurig sei er darüber, dass immer weniger Menschen wüssten, welches Kraut zu welcher Zeit und an welchem Ort wachse. Seine grünen Lieblinge? Die klassischen Hildegard-Gewürze wie etwa Ysop, Galgant, Quendel oder Bertram. Thymian und Lavendel schätze er ebenfalls sehr. Rosmarin sei eine großartige Zutat - doch Obacht, warnt er: "Rosmarin stärkt das Herz, soll aber am Abend gemieden werden. Manche Menschen reagieren empfindlich und werden lebendig, statt zu schlafen."
In der Stadt Salzburg ist Ricky Knoll eine Expertin für alles, was wächst. Selbstverständlich hat sie sich in den vergangenen Wochen auf die Suche nach frischem Bärlauch gemacht. Doch nicht nur die Blätter schätzt die Journalistin, auch die Knospen, die sie samt Stängeln gesammelt hat. Wie sie diese verwendet? Eingerollt in Prosciutto und überbacken auf einem Wildkräuterbett. Das verrät ihr Instagram-Account "wildes_gruen". Dort stellt sie Gänseblümchen als Vitaminbomben und Immunbooster vor und das Behaarte Schaumkraut als feine Zutat für einen Salat frisch aus dem Wald.
Wer mit Knoll zu Fuß in Richtung Mönchsberg unterwegs ist, kommt bereits beim Aufstieg über die Nonnbergstiege nicht weit - schon entdeckt sie in den Mauerritzen die ersten Gewächse, die sich auf den Tellern nicht nur als Dekoration wunderbar machen. Wildkräuter bahnen sich ganz offensichtlich ihren Weg. Eine spezielle Ausrüstung braucht man für solche leichten Ausflüge (ob in der Stadt oder am Land) übrigens nicht. Ein Papiersackerl für das Gesammelte dabeizuhaben ist schlau, ein kleines Messer kann nützlich sein.
Auch Ricky Knoll hat einen Blick für das Unscheinbare, das sie mit ein paar schnellen Handgriffen einsammelt. Löwenzahn beispielsweise. Die noch nicht aufgeblühten Knospen ergeben eine schmackhafte Beilage, wenn sie gewaschen und getrocknet in etwas Butter angebraten und mit Salz verfeinert auf den Tisch kommen. Die bittere Note ist wichtig für den Körper, der Geschmack ausgezeichnet. Dieselbe Zubereitungsart wählt Knoll bei Wildem Hopfenspargel, der sich über ein Geländer nahe dem Nonnbergkloster rankt. Ein paar Schritte weiter entdeckt sie die nächsten Zutaten für Salat, Kräutersalz oder Suppen.
Weg- und Waldränder stecken voller Pflanzen, die gut schmecken. Gundelrebe, Waldmeister und selbst der Japanische Staudenknöterich liefern neue Geschmackserlebnisse. Von bitter, süß, nussig bis pilzartig, die Aromen sind enorm vielfältig. Dabei dienen etliche Gewächse nicht nur als Zutaten in der Küche, sie verfügen außerdem über spezielle Wirkkräfte. Spitzwegerich hilft bei Husten, Löwenzahn bei Verdauungsbeschwerden, Gänseblümchen gegen unreine Haut.
Pater Johannes Pausch aus dem Europakloster Gut Aich bei St. Gilgen rät beim Sammeln und Trocknen von Kräutern, sich das Wissen unbedingt draußen unter freiem Himmel anzueignen. Geführte Kräuterwanderungen seien ideal. "Denn was an Würze aus einem Päckchen aus dem Laden kommt, ist zwar bequem in der Verwendung, aber meist ohne Seele und es gleicht trockenem Heu", sagt er mit einem Lachen. Das Grundwissen könne man sich aus Büchern holen, doch lebendiger sei es, gemeinsam mit Kindern, Enkeln, Freunden, Partnern und anderen Leuten auf Entdeckungstour zu gehen. "An manchen Sonntagen machen wir in Gut Aich solche Veranstaltungen mit Kindern und ihren Omas. Wir gehen in den Garten, probieren, mörsern Kräutersalz, machen Blütenschokolade." Er sehe es gerne, wenn schon die Kleinen eine Beziehung zu Pflanzen aufbauten, erzählt er.
Was sich aus den gesammelten Pflanzen für die gemeinsame Jause nach einem Spaziergang oder einer Kräuterwanderung herstellen lässt? Kräutertopfen als Aufstrich für eine knusprige Scheibe Brot etwa oder eine cremige Suppe aus wildem Grün samt hübscher Deko. Einiges lässt sich wie Spinat zubereiten. Reste sind ideal zum Trocknen und machen sich gut, wenn sie mit Salz vermischt und in Gläser gegeben werden. Eingelegt in Öl überdauern die bereits erwähnten Bärlauchknospen die Jahreszeiten und liefern auch abseits ihrer Saison viel Aroma.
Was in hübschen Behältern landet, eignet sich als Mitbringsel oder Geschenk. Immerhin: Das Auge isst mit - gerade dann, wenn die Zutaten frisch gesammelt und mit viel Liebe kombiniert werden.
Bärlauch: Die Blätter wachsen im sonnendurchfluteten Wald und schmecken in Salaten, Suppen, Gewürzen intensiv knoblauchartig. Die Blüten sind süßlich.
Giersch: Er schmeckt wie eine Mischung aus Karotte und Petersilie. Seine Blätter eignen sich als Salat oder Spinat. Zu finden ist er bei Gehölzen.
Spitzwegerich wächst auf Wiesen und am Wegrand. Auch er passt in Salate und zur Eierspeise. Der Geschmack der Blütenknospen erinnert an Champignons.
Brennnessel: Eine wahre Wunderpflanze, denn sie steckt voller Mineralien und Nährstoffe. Zu finden ist sie etwa an Waldrändern. Ihre Blätter ergeben feinen Spinat, passen als Suppe oder Pesto.
Aufgerufen am 10.06.2022 um 06:33 auf https://www.sn.at/leben/kraeuter-sammeln-vor-der-haustuer-122589280